Freitag, 6. März 2015

Lost and Found - Albrecht Mayer (Deutsche Grammophon)

Die Oboe war zur Zeit der Wiener Klassik als Musikinstrument allgegenwärtig. Sie erklang sowohl im Freien, wenn beispielsweise eine Serenade gespielt wurde, als auch in der Kirche und im Konzertsaal. Entsprechend viele Musiker spielten Oboe, und natürlich schrieben sie ebenso viele Konzerte für „ihr“ Instrument. Das befand sich seiner- zeit noch in der Entwicklung, und so dokumentieren diese Musikstücke nicht zuletzt auch die jeweiligen technischen Möglichkeiten der Oboenvirtuosen. Um so verblüffender erscheint allerdings die Tatsache, dass davon heute kaum noch etwas im Konzert zu hören ist. 
Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, hat sich darüber ebenfalls gewundert. Und so ging der Musiker auf die Suche nach Alterna- tiven zu Mozarts berühmtem Oboenkonzert. Dabei durchstöberte er zunächst das Internet und anschließend jene Archive und Bibliotheken, die aufgrund der digitalen Fundstellen Erfolg versprachen. Bei der Recherche unterstützte ihn tatkräftig Adelheid Schloemann, beim Sichten der Manu- skripte Albert Breier. Das Projekt war von Erfolg gekrönt: Mayer hat mit seinem kleinen Team sagenhafte 120 Konzerte aufgespürt. Einige davon sind mittlerweile bereits als Notenedition verfügbar. 
Die vier schönsten präsentiert der Oboist nun, begleitet von der Kammer- akademie Potsdam, auf seinem neuen Album Lost and Found. Es sind drei Oboenkonzerte von Franz Anton Hoffmeister (1754 bis 1812), Jan Antonín Koželuch (1738 bis 1814)– dem älteren Vetter des Klaviervirtuosen Leopold Anton Koželuch, mit dem er oftmals verwechselt wird (das ist kurioser- weise auch im Beiheft zu dieser CD passiert) – und Ludwig August Lebrun (1752 bis 1790), der allerdings nicht in Wien, sondern in Mannheim wirkte. Sein g-Moll-Oboenkonzert ist wirklich sehr schön, und auch wenn es keineswegs „verloren“ war, so ist doch nachvollziehbar, dass Mayer dieses Werk seines berühmten Kollegen hier mit einspielen wollte. 
Aus Böhmen stammte Joseph Fiala (1748 bis 1816). Nach seiner Flucht aus der Leibeigenschaft musizierte er zunächst am Hof von Oettingen-Wallerstein, dann in München, und schließlich in Salzburg, wo er allerdings entlassen wurde, als er aufgrund eines Lungenleidens nicht mehr Oboe spielen konnte. Und so war Fiala dann den Rest seiner Tage als Cellist sehr erfolgreich. „Trotz aller Recherche wissen wir leider immer noch nicht, ob es sich bei dem Konzert von Joseph Fiala auf diesem Album tatsächlich um das Konzert für Englischhorn handelt, von dem Wolfgang Amadeus Mozart seinem Vater in einem Brief vorschwärmte; auch kennen wir das Instrument nicht, für das dieses Konzert in extrem hoher Lage geschrieben wurde“, teilt Mayer im Beiheft mit. „Durch die Transponierung nach C-Dur liegt es aber nun perfekt für das heutige Englischhorn und wird sicher spätestens jetzt seinen wohlverdienten Stammplatz im Repertoire erobern.“ 
Die von Mayer ausgewählten Konzerte begeistern nicht nur durch ihre zauberhaften Oboen-Soli, sondern auch durch einen zumeist wohlausge- wogenen Dialog zwischen dem Solisten und dem Orchester. So liefert die Kammerakademie Potsdam dem Oboisten, der auch selbst dirigiert, nicht nur die Klangkulisse, vor der sich die Solostimme präsentiert. Man höre nur die Hörner im Hoffmeister-Konzert – wirklich exzellent! Diese CD ist wirklich rundum erfreulich und sehr hörenswert.

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