Mittwoch, 3. Dezember 2014

Winterreise; Biesemans (Genuin)

Auf dieser CD frönt Els Biesemans gleich drei Steckenpferden. Da ist zum einen ihr Interesse für histori- sche Klaviere und ihren ganz speziellen Klang. Dazu kommt ihr Faible für Franz Liszt, den sie sowohl als Komponisten als auch als Persön- lichkeit faszinierend findet. Und deutlich spürbar ist zudem ihre enor- me Begeisterung für das romantische Repertoire, insbesondere die Lieder: „Das wunderbare Zusammenspiel von poetischen Texten, Melodien und Klavierbegleitungen hat mich immer sehr berührt“, schreibt die belgische Pianistin in dem außerordentlich lesenwerten Beiheft. „Die Entdeckung der Liedbearbeitungen gab mir die Möglichkeit, auch allein ohne Sänger in diese Welt einzutauchen.“ 
So hat sie nun, nach ihrem viel beachteten Debüt mit Fanny Hensel-Men- delssohns Klavierzyklus Das Jahr bei Genuin eine CD mit Lied-Transkrip- tionen von Franz Liszt vorgelegt. Im Mittelpunkt dieser Aufnahme stehen seine Versionen von zwölf Lieder aus Franz Schuberts Winterreise, er- gänzt um das brillante Auf dem Wasser zu singen sowie weitere Liedbear- beitungen nach Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Frédéric Chopin. 
Schuberts Werke schätzte Liszt offenbar sehr. „Von den etwa 150 Lied-Transkriptionen, die Liszt für Klavier solo anfertigte, betreffen nicht weniger als 55 Nummern Schubert-Lieder“, berichtet Biesemans. „Man bekommt den Eindruck, dass er aus den 24 Liedern der Winterreise genau die Lieder ausgewählt hat, in denen er am trefflichsten sein eigenes Leben spiegeln konnte. Der Wanderer, der die Natur durchstreift, ist auch Symbol für das Leben als herumreisender Konzertvirtuose.“ 
Bei seinen Liedtranskriptionen legte Liszt besonderen Wert auf den Aus- druck. Eine notengetreue Übertragung genügte ihm dazu nicht. So inter- pretiert er den Textinhalt mit pianistischen Mitteln, wozu er durchaus auch den Tonumfang des Flügels ausnutzt. Allzu virtuose Einfälle allerdings, wie man sie von den für Konzerte komponierten Opernparaphrasen gewohnt ist, vermeidet Liszt in diesem Falle. Els Biesemans hat für diese beeindruckenden Werke einen Flügel von Aloys Biber (1804 bis 1858) mit Wiener Mechanik ausgewählt. Dieser Klavierbauer, der aus Franken stammte, hatte seine Werkstatt in München. 
Biesemans versteht sich bestens darauf, diesem Instrument Klangeffekte zu entlocken. Sie spielt sehr präzise, setzt Liszts Vortragsbezeichnungen um, und trifft ebenso perfekt die jeweils passenden Klangfarben. Ob kammer- musikalisch zurückhaltend oder üppig orchestral – die Pianistin musiziert durchdacht und stets überzeugend. Kurz: Gefällt mir! Brava! 

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