Donnerstag, 26. Dezember 2013

Hertel: Die Geburt Christi (cpo)

Johann Wilhelm Hertel (1727 bis 1789) entstammte einer Eise- nacher Musikerfamilie. Mit seinem Vater Johann Christian Hertel ging er 1742 an den Hof von Mecklen- burg-Strelitz, wo er wohl zeitweise als Geiger und Cembalist beschäf- tigt war. Seine Ausbildung setzte er in Zerbst bei Johann Friedrich Fasch und in Berlin bei Carl Heinrich Graun, Carl Philipp Emanuel Bach und Franz Benda fort. 1754 wurde er  Hof- und Capell-Compositeur des Herzogs Christian Ludwig II. Er komponierte auch für dessen Nachfolger Friedrich, genannt „Der Fromme“, der den Hof von Schwerin nach Ludwigslust verlegte, weil er ein Leben in Ruhe und Abgeschiedenheit vorzog. 
Das hinderte Friedrich allerdings nicht daran, zweimal in der Woche in der Kirche von Ludwigslust ein (geistliches) Konzert zu veran- stalten. Die exzellente mecklenburgische Hofkapelle ließ dort Psalmvertonungen, Choräle und Kantaten erklingen. Und jedermann durfte zuhören – so er „rechtlich gekleidet“ war. 
Hertel schrieb für den Herzog neun große Kantaten, sämtlich nach Texten des mecklenburgischen Pfarrers Heinrich Julius Tode (1733 bis 1797). Der Prediger war, wie sein Dienstherr, dem Pietistismus sehr zugewandt. Das prägt auch den Text seiner Weihnachtskantate Die Geburt Jesu. Für den heutigen Hörer ist diese Spielart der Frömmigkeit, nun ja, gewöhnungsbedürftig. 
Das gilt auch für die Musik Hertels, der hier Andacht mit den Mitteln der Oper erzeugt. Zwar sind unter den 24 Sätzen der Kantate auch ein paar betont schlicht gesetzte Choräle. Doch schon der überwälti- gende, harmonisch kühne Eingangschor macht deutlich, dass man seinerzeit in der Provinz musikalisch durchaus nicht hinter dem Mond lebte. Hertel zieht alle Register seiner Kunst, vom Kontrapunkt bis hin zur flötenbegleiteten Hirtenidylle und vom barocken Affekt bis hin zu sinfonischer Dramatik.  
Den Hofsängern schrieb Hertel offenbar maßgeschneiderte Arien – das Bravourstück Freuet seiner euch mit Beben, Höhepunkt der Kantate, war ganz sicher für die Primadonna bestimmt, die zum Fest mit umfangreichen Koloraturen glänzte. Die „Wetter seines Zorns“, die der Text Abtrünnigen androht, geraten über dieser Jubelarie eher in den Hintergrund, wie überhaupt Hertels Musik die strengen Mahnungen des Textdichters relativiert und die Freude über das Weihnachtsgeschehen herausstellt. 
Die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens hat das historische Stück sorgsam eingespielt. Die vier Gesangssolisten Berit Solset, Alexandra Rawohl, Marcus Ullmann und Wolf-Matthias Friedrich gestalten dabei nicht nur die Rezitative und Arien, sie singen auch die Chöre, mit Unterstützung durch jeweils einen Ripienisten. Das bewirkt einen fein abgestimmten und auch in den großen Chören stets durchhörbaren Klang. Sehr hörenswert – wer einen Sinn für Nostalgie hat und den Text nicht gar zu sehr auf die Goldwaage legt, wird diese Aufnahme schätzen. 

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