Montag, 2. Mai 2011

Liszt: Années de Pèlerinage; Dratva (Oehms Classics)

Gratulation an Oehms Classics - denn das nenne ich eine Idee: Liszts Années de Pèlerinage - und zwar der erste Teil, Première Année - Suisse, eingespielt ausge- rechnet auf Wagners Flügel in Bayreuth. Diesen prächtigen Steinway schenkten die New Yor- ker Klavierbauer dem Komponi- sten 1876 zur Eröffnung der ersten Bayreuther Festspiele. Das Instru- ment, das aus Palisander gefertigt wurde, überstand den Krieg eben- so schadlos wie die langjährige Betreuung durch Klavierbauer, die ja meistens behaupten, dass Konzertflügel nicht mit Anstand altern können - schon gar nicht jene Exemplare, die viel gespielt werden. Dieses Instrument beweist, dass dies sehr wohl möglich ist; nur darf man nicht erwarten, dass ein historisches Klavier genauso klingt wie eines, das soeben die Fabrik verlassen hat. 
Auch Wagners Steinway tönt nicht wie ein moderner Flügel der be- rühmten Klaviermanufaktur, deren Steinway D mittlerweile faktisch zum Konzertsaalstandard geworden ist, und damit natürlich auch Aufnahmen und Hörgewohnheiten prägt. Das Instrument aus dem Haus Wahnfried klingt wärmer, farbiger, sanglicher und nicht so stählern-direkt wie die heutigen Konzertflügel, nicht ganz so brillant und ausgeglichen, im Bass sonor und im Diskant silbrig. Auf die Klangunterschiede der Register muss sich ein Pianist einstellen; Tomas Dratva gelingt das exzellent. 
Der Pianist hat vor dieser Aufnahme zudem umfassende Quellen- studien betrieben, was in erster Linie die Auseinandersetzung mit dem Originalmanuskript des Werkes bedeutet, das sich heute in der Russischen Nationalbibliothek St. Petersburg befindet. Dratva zeigt sich davon sehr beeindruckt: "Von Liszts Handschrift geht eine große suggestive Wirkung aus." Die Notizen des großen Klaviervirtuosen "geben deutliche Interpretationshilfen", so Dratva, "welche der gra- phisch einebnende Notendruck nicht in dieser Weise wiedergeben kann." Liszts Reinschrift sieht der Pianist als die verbindliche Version an. Das ermöglichte etliche Korrekturen, und prägt diese Interpreta- tion ganz entscheidend. 
Wagners Konzertflügel wiederum erweist sich als das ideale Instru- ment für dieses Werk, denn zum einen hat Liszt selbst mehrfach damit musiziert, und das Klangbild offenbar geschätzt. Zum anderen passen die Tonbilder der Années sehr schön zum sanglichen Klangbild dieses Flügels. Das ist spannend, und das ist ein würdiger Auftakt zum Liszt-Jahr 2011, im Gedenken an den 200. Geburtstag des Virtuosen. 

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