Samstag, 9. Juli 2016

Trauerode (BIS)

Masaaki Suzuki rundet seine Bach-Kantaten-Edition mit dem Bach-Collegium Japan ab, indem er nunmehr auch die Kantaten des Thomaskantors einspielt, die nicht für den regulären Gottesdienst ent- standen sind. Es sind dies Auftrags- werke, wie Huldigungskantaten oder aber Musiken für Geburtstage, Hoch- zeiten und Begräbnisse. 
Drei Beispiele für letzteres sind auf der vorliegenden CD anzuhören. Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl BWV 198, die sogenannte Trauer-Ode, wurde 1727 bei der Gedenkfeier für die verstorbene Ehefrau Augusts des Starken, Christiane Eberhardine, in der Leipziger Paulinerkirche aufgeführt. Sie war beim sächsischen Volk sehr angesehen, weil sie protestantisch geblieben war, derweil ihr Gatte zum Katholizismus konvertierte, um König von Polen werden zu können. Organisiert wurde die repräsentative Trauerfeier in der Universitätskirche der Messestadt von einem adligen Studenten, der bei Johann Sebastian Bach die Musik für diesen durchaus politischen Festakt orderte. Den Text dazu ließ er sich von Johann Christoph Gottsched schreiben. Er folgt den Konventionen von Herrscherlob und Totenklage; Bach hat ihn gekonnt vertont (und die Musik später mehrfach wiederverwendet; bekannt ist ihre Nutzung in der Trauermusik für seinen früheren Dienstherrn Fürst Leopold von Anhalt-Köthen sowie in der Markuspassion). 
Die Alt-Arie Schlage doch, gewünschte Stunde BWV 53 stammt wahr- scheinlich ebenfalls aus einer Trauermusik. Die Forschung hat allerdings herausgefunden, dass dieses Werk nicht von Bach, sondern von Melchior Hoffmann (?1679 bis 1715) stammt, der ab 1705 Musikdirektor der Leipziger Neuen Kirche war. 
Tilge, Höchster, meine Sünden BWV 1083 gibt der Musikwissenschaft eine Reihe von Rätseln auf. Für wen Bach diese Duett-Kantate geschaffen hat, ist ebenso unbekannt wie der Grund dafür, dass er sich auf diese Weise mit dem Stabat mater von Giovanni Battista Pergolesi (1710 bis 1736) ausein- andergesetzt hat. Eine Verwendung im Gottesdienst dürfte auszuschließen sein, auch wenn der ursprüngliche Text der Sequenz durch eine Neudich- tung nach Psalm 51 von einem unbekannten, aber versierten Autor ersetzt wurde. Bach hat Pergolesis Musik nicht einfach angepasst, er hat sie obendrein nach seinem stilistischen Empfinden modifiziert. Das Ergebnis klingt erstaunlich altmodisch – das Original wirkt vergleichsweise moder- ner. Wirklich verblüffend. 

Keine Kommentare: