Donnerstag, 11. Februar 2016

C.P.E. Bach: Die Israeliten in der Wüste (Deutsche Harmonia Mundi)

Einer der Höhepunkte des Bachfestes Leipzig 2014 war die Aufführung des Oratoriums Die Israeliten in der Wüste von Carl Philip Emanuel Bach (1714 bis 1788) mit den Ensembles Chorus Musicus Köln und Das Neue Orchester unter der Leitung von Christoph Spering. 
Ein Mitschnitt dieses Konzertes liegt nun auf CD vor – und er macht noch einmal deutlich, was für ein Ereignis diese Aufführung in der Nikolaikirche warDie Kölner würdigten damit den 300. Geburtstag des berühmtesten der Bach-Söhne. Carl Philipp Emanuel Bach wirkte zunächst als Cembalist am Hofe Friedrichs des Großen; 1768 wurde er dann als Nachfolger seines Taufpaten Georg Philipp Telemann städtischer Musikdirektor und Kantor am Johanneum in Hamburg. Die Israeliten in der Wüste entstand 1768/69 als Auftragskomposition zur Einweihung der neu errichteten Lazarus-Kirche in Hamburg. Das Werk zeigt zunächst das in der Wüste herumirrende, murrende Volk Israel – durstig, entmutigt und auf Moses nicht besonders gut zu sprechen. Doch Moses erbarmt sich, und fleht in einer grandiosen Arie zu Gott, der auch prompt das ersehnte Wasser aus einem Felsen am Berg Horeb fließen lässt. Das ist der Wendepunkt des Oratoriums. Nach dem Wunder Gottes folgt aber nicht schlicht ein finaler Dankeschor, sondern eine komplette zweite Hälfte voll Reflektion und Lobpreis. Und letztendlich stimmt in Form einer Choralstrophe auch die Christenheit mit ein. Moses selbst hat zuvor auf den kommenden Erlöser verwiesen. Getragen wird die Handlung zudem von ausdrucksstarken Chören, nebst zwei Solistinnen, die quasi aus der Volksmasse hervortreten, und einem Tenor, im ersten Teil Aaron, im zweiten schlicht „Eine Stimme“, der wie ein Moderator bemüht ist, das Geschehen zu lenken. 
Bach merkte an, dass sein Oratorium „nicht just bey einer Art von Feyerlichkeit, sondern zu allen Zeiten, in und außer der Kirche“ gespielt werden könne. Auch Händel hatte seine Werke weniger für den kirchlichen Gebrauch als vielmehr für den Konzertsaal geschrieben – ein Trend, der geistliche Musik in völlig neue Räume und Wirkungszusammenhänge bringen sollte. 
Spering allerdings belässt Bachs Opus im kirchlichen Raum. Mit seinem exzellenten Chor und dem Neuen Orchester, ebenfalls bestens besetzt mit Experten aus dem Bereich der historischen Aufführungspraxis, interpretiert er das Oratorium unter Verwendung der neuesten textkritischen Partitur- ausgabe. Er hat einen ausgesprochen wachen Sinn für musikalische Strukturen – und er schaut zugleich genauestens auf Details. So gibt die Neuausgabe Einblick in die Musizierpraxis jener Jahre, insbesondere auf die Auszierung von Da-capo-Arien: „Denn in die Neuausgabe ist zum Beispiel auch das überlieferte Stimmheft der 2. Sopranistin eingegangen, in das Carl Philipp Emanuel Bach selbst diese Verzierungen eingetragen hatte“, erläutert Christoph Spering im Beiheft zu dieser CD. Nach diesem Vorbild hat Spering gemeinsam mit dem Solistenensemble – Anja Petersen, Sarah Maria Sun, Daniel Johannsen und Johannes Weisser – auch für die anderen Partien die entsprechende Ornamentierung erarbeitet. Gesungen wird sehr präzise, und man staunt, wieviel Wirkung das bringt. 
„Bei meiner Interpretation habe ich mich übrigens bewusst nicht auf die Verhältnisse der Hamburger Kirchenmusik zur Carl Philipp Emanuel Bachs Zeit bezogen, sondern eine mittelgroße Besetzung gewählt, mit der man alle Ausdrucksmöglichkeiten des Werkes farbiger zeichnen kann“, schreibt der Dirigent. All das macht diese Aufnahme abwechslungsreich. Spering gelingt es, Empfindsamkeit nicht gefühlig werden zu lassen; Kon- templation und Spannung sind ja bekanntlich kein Gegensatz. Unbedingt anhören! 

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