Mittwoch, 23. September 2015

Karg-Elert: Opern von Richard Wagner in Bearbeitungen für Harmonium und Klavier (Pan Classics)

„Nur der Ausdruck und der Inhalt eines Stückes diene dem Harmo- nisten als Richtschnur in der Registerwahl, nicht aber aus- schließlich die klangliche Eigenart der Originalfassung eines Satzes“, erklärt Sigfrid Karg-Elert. „Deshalb glaubte sich der Verfasser im künstlerisch freien Recht, als er bei sämtlichen Bearbeitungen der Wagnerischen Werke für Harmo- nium und als Duos für Klavier und Harmonium eine Orchester- ähnlichkeit überhaupt nicht erstrebte (so gewagt dies auch erscheinen mag!), sondern, was Satz, Farbe und Technik anbelangt, die ,spezifische Harmoniumwirkung' so stark, als just eben künstlerisch tunlich, zu erreichen bemüht war.“
Der heutige Hörer schluckt beim Lesen einer solchen Anweisung: Harmonium?? das war doch quasi ein Akkordeon im Klaviergehäuse, bei dem die Bälge getreten werden, ein Orgelersatz für den Hausgebrauch. Doch wenn ein bedeutender Komponist wie Karg-Elert enorme Mengen an Musikstücken für dieses Instrument geschaffen hat, dann muss das (Kunst-)Harmonium seinerzeit durchaus einen wichtigen Platz im Konzertleben gehabt haben. Insofern sorgt eine Neuerscheinung aus dem Hause Pan Classics spontan für Neugier: „Auserlesene Stücke aus Opern von Richard Wagner für Harmonium und Klavier übertragen“, über- schrieb Sigfrid Karg-Elert 1914 seine Sammlung von 30 Bearbeitungen für diese heutzutage vollkommen ungebräuchliche Duobesetzung.
Jan Hennig, Kunstharmonium, und Ernst Breidenbach, Klavier, haben eine Auswahl dieser Arrangements eingespielt. Es erklingen beispielsweise der Einzug der Gäste auf der Wartburg aus Tannhäuser, das Vorspiel zum 1.Akt und der Brautchor aus Lohengrin, Siegmunds berühmtes Liebeslied („Winterstürme wichen dem Wonnemond“) aus Die Walküre oder das Spinnerlied aus Der fliegende Holländer. Und die Klangeffekte, die die Kombination der beiden Duopartner ermöglicht, sind in der Tat schlicht unglaublich. Das Harmonium kann endlos lange Töne aus dem Pianissimo heraus aufblühen und wieder verklingen lassen, und es begeistert durch Ausdrucksstärke und durch die breite Palette seiner Klangfarben. Das Klavier hingegen lässt sich sehr viel virtuoser und klar akzentuiert einsetzen, was dem Harmonium aufgrund der Klangerzeugung mit schwingenden Durchschlagzungen nicht in gleicher Weise gelingen kann. Aus diesen Unterschieden ergibt sich der Reiz dieser Duobesetzung – und klanglich wirkt das überaus faszinierend. Hennig und Breidenbach präsentieren hier eine der schönsten Wagner-Bearbeitungen, die derzeit auf CD zu erwerben ist. Überraschung! Unbedingt anhören! 

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