Montag, 17. November 2014

The Dresden Album (Audax)

Johann Georg Pisendel (1687 bis 1755) gehört zu den überragenden Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit. Der Sohn eines Kantors kam 1697 als Kapellknabe an den Ansbacher Hof. Dort könnte er Geigenschüler von Giuseppe Torelli gewesen sein. Wie gut er sein Instrument beherrschte, darauf deutet jedenfalls die Tatsache hin, dass er bei Hofe als Geiger angestellt wurde, obwohl erst kurz vorher die Zahl der Musiker drastisch reduziert worden war. 1709 reiste Pisendel nach Leipzig, wo er studierte, und nebenher zeitweise das Collegium musicum leitete. Die Studienjahre boten dem Musiker zudem Gelegenheit, renommierte Kollegen wie Telemann, Graupner, Heinichen, Fasch und etliche andere kennenzulernen. Im Januar 1712 wurde er erster Geiger in der Hofkapelle Augusts des Starken, 1728 wurde er schließlich Konzertmeister in diesem Orchester. Pisendel trug wesentlich dazu bei, dass es zu den besten Europas gehörte. 
Sein Dienstherr erkannte die Stärken des jungen Mannes, und schickte ihn zunächst auf Reisen. So weilte er im Gefolge des Kurprinzen in Paris, in Rom und Venedig sowie in Wien – und brachte nicht nur musikalische Anregungen und eine Vielzahl von Notenabschriften, sondern auch freundschaftliche Kontakte zu den Musikerkollegen in den europäischen Metropolen mit. Wie weit das Beziehungsnetz Pisendels reichte, davon gibt die vorliegende CD einen Eindruck. 
Johannes Pramsohler hat für die zweite Veröffentlichung bei seinem Label Audax einige Raritäten eingespielt, die bislang offenbar in den Noten- beständen der Dresdner Hofkapelle schlummerten: Triosonaten von Georg Friedrich Händel, Georg Philipp Telemann, Johann Friedrich Fasch, Jo- hann Joseph Fux und Frantisek Ignác Tuma; die Werke der letztgenannten drei erklingen immerhin in Weltersteinspielungen. Es ist dies zugleich die Debüt-CD seines Ensembles Diderot; mit Prahmsohler musizieren Varoujan Doneyan, Barockvioline, Gulrim Choi, Barock-Violoncello, und Philippe Grisvard am Cembalo. 
Die Musiker beeindrucken durch ihr exzellentes Zusammenspiel. Insbe- sondere die Cellistin setzt immer wieder spannende Akzente. Die beiden Geiger hingegen musizieren zwar virtuos, aber für mein Empfinden zu grell; ihr Ton ist herausfordernd schrill und ihre Phrasierung oftmals schlicht zu ruppig. Damit werden sie dem galanten Charakter vieler Stücke nicht gerecht, vor allem auch die langsameren Sätze würden durch mehr Wärme und klangliche Abrundung gewinnen. Die Fußstapfen Reinhard Goebels, der seinen jungen Kollegen hier mit einem sehr informativen Text im Beiheft unterstützt, erscheinen momentan für Pramsohler noch etwas groß. Aber die Lust an Entdeckungen, die Neugier auf vergessenes Repertoire haben die Violinisten gemeinsam. Hörenswert sind die sechs Triosonaten auf dieser CD, und die Aufnahme ist zudem in technischer Hinsicht phänomenal. Man hat wirklich den Eindruck, inmitten der Musiker zu sitzen. 

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