Mittwoch, 10. Juli 2013

Wagner: Parsifal (Pentatone Classics)

Die letzte Oper von Richard Wagner hat es in sich: Eigentlich geschieht fast nichts, und das vier Stunden lang. Dabei treten Figuren auf, die alle einen Knacks weg ha- ben – mindestens. Da ist der Grals- könig Amfortas, in dessen Monolo- ge aus gutem Grund mehrfach die Musik Klingsors einbricht. Da ist der Ritter Gurnemanz, zuständig eher für die praktischen Dinge, eine Mutter der Kompanie ohne Sinn für Transzendentes – und trotzdem hat ausgerechnet er die umfangreichste Partie in dieser Oper. 
Da ist Klingsor, der eigentlich auch gern einer der Gralsritter wäre, aber es nicht werden darf, denn er hat sich entmannt, um nicht in Versuchung zu geraten. Er wird abgewiesen, weil die Ritter darin nicht Konsequenz, sondern einen Mangel an Charakterstärke sehen. 
Daraufhin wendet er sich der Magie zu, und in seinem Zauberreich sündigt prompt Amfortas – was ihm die Wunde einbringt, um die sich in dieser Oper alles dreht. 
Zu Klingsors Personal gehört auch Kundry, eine der peinlichsten Frauengestalten der Musikgeschichte überhaupt, und – abgesehen von den Zaubermädchen Klingsors sowie der Mutter des Titelhelden, die aber nur in Erzählungen präsent ist – die einzige weibliche Gestalt in dieser Oper. Parsifal selbst mordet sich fröhlich durch seine Tage. Das beginnt mit dem Schwan, den er im heiligen Tempelbezirk abschießt, und endet ganz sicher nicht damit, dass er Klingsor samt seiner Zauberwelt in Schutt und Asche legt. Das eigentliche Wunder an dieser Oper ist Wagners Musik, die es fertigbringt, dass wir all diesen seltsamen Mumpitz ertragen – und berührt sind, anstatt laut loszulachen. 
Wagners Parsifal ist ohne Zweifel eine Herausforderung für ein En- semble. Marek Janowski hatte das „Bühnenweihfestspiel“ – so nannte Wagner sein Werk – in seinem Wagner-Zyklus mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin gleich an zweite Stelle gesetzt. Und der Live-Mitschnitt der konzertanten Aufführung vom 8. April 2011 ist wirk- lich ein Erlebnis. 
Es ist erklärtermaßen die Absicht Janowskis, Wagners Werke dem Publikum ohne Kompromisse, allein auf die Musik konzentriert, zu vermitteln. Beim Berliner Parsifal ist ihm das gelungen. Die Inter- pretation, die ziemlich nüchtern beginnt, entwickelt zunehmend Sog und Magie. Die Besetzung passt. Zu hören sind Jewgeni Nikitin als Amfortas, Dimitri Iwaschenko als Titurel, Franz-Josef Selig als Gurnemanz, Christian Elsner als – ganz hervorragender – Parsifal, Eike Wilm-Schulte als Klingsor und Michelle DeYoung als Kundry. Doch auch die Gralsritter, Knappen und Blumenmädchen sind ausgezeichnet gesungen. Der eigentliche Star des Abends aber war einmal mehr der Rundfunkchor Berlin. So kraftvoll und präzise dürften die Chöre der Gralsritter selten erklungen sein. All das macht diese vier CD unbedingt hörenswert – meine Empfehlung! 

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