Freitag, 23. November 2012

Mendelssohn: Lieder ohne Worte; Brautigam (BIS)

Wer sich dafür interessiert, wie die Lieder ohne Worte von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847) zu Lebzeiten des Kompo- nisten gespielt worden sind, der sollte sich diese Aufnahme mit Ronald Brautigam anhören. 
Der niederländische Pianist wurde für sein Spiel auf modernen Instru- menten mit vielen Preisen ausge- zeichnet. Doch mit gleicher Lei- denschaft widmet sich Brautigam dem Musizieren auf dem Forte- piano. So hat er mittlerweile bei dem Label BIS sämtliche Klavierwerke Mozarts, Klavierkonzerte und Sonaten Beethovens sowie die Klavierkonzerte von Mendelssohn eingespielt. 
Nun hat er sich die Lieder ohne Worte vorgenommen - Musikstücke, die beispielhaft vorführen, wie die Romantiker Grenzen zwischen den Künsten aufgelöst haben. Denn üblicherweise haben Lieder einen Text. Doch der Komponist sah für das Wort Probleme, die er in der Musik überwunden fand: "Die Leute beklagen sich gewöhnlich, Musik sei so vieldeutig; es sei so zweifelhaft, was sie sich dabei zu denken hätten, und die Worte verstünde doch ein Jeder", schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy im Jahre 1842. "Mir geht es aber gerade umgekehrt. Und nicht blos mit ganzen Reden, auch mit einzelnen Worten, auch die scheinen mir so vieldeutig, so unbestimmt, so missverständlich im Vergleich zu einer rechten Musik, die Einem die Seele erfüllt mit tausend bessern Dingen, als Worten. Das was mir eine Musik ausspricht die ich liebe, sind mir nicht zu unbestimmte Gedanken, um sie in Worte zu fassen, sondern zu bestimmte." 
Sechs Hefte mit je sechs Liedern ohne Worte hat Mendelssohn zu Lebzeiten herausgegeben. Auf dieser CD finden sich die ersten vier davon, sowie fünf weitere Stücke, die der Komponist nicht veröffent- licht hat. Brautigam spielt sie auf einem Hammerflügel, der nach einem Instrument aus dem Jahre 1830 aus der Werkstatt Ignaz Pleyels von dem renommierten Klavierbauer Paul McNulty ange- fertigt worden ist. Das Original befindet sich im Musée de la musique in Paris. 
Dieses Fortepiano hat einen erstaunlich warmen, wandlungsfähigen Ton - doch es erzwingt offenbar auch eine Spielweise, die hektischer wirkt, als man das von den modernen Instrumenten gewohnt ist. Brautigam produziert damit eher Klangflächen als durchhörbare Strukturen. Das muss man mögen - und in diesem Falle überzeugt es mich nicht. 

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