Sonntag, 3. Juni 2012

Schubert: Lieder; Gruberova (Nightingale)

Edita Gruberova singt Lieder von Franz Schubert, am Steinway begleitet von Alexander Schmalcz. Diese Aufnahme wirkt wie ein Echo aus einer längst versunkenen Zeit, als Sänger noch Stars waren, und keine Wegwerfware mit Verfalls- datum. 
Wer diese Sängerin hört, der will es nicht glauben, dass sie dem Jahr- gang 1946 angehört, und 1968 ihr Debüt gegeben hat. Ihre Stimme klingt noch immer erstaunlich frisch, klar und ohne Altersvibra- to; auch in der Höhe ist sie frei von Schärfe. Selbst schwierigste Verzierungen singt die Gruberova wie nebenbei, Koloraturen perlen sauber und präzise. Ihr piano ist perfekt und atemberaubend. Einzig beim Forcieren in der Höhe hört man, dass dies Kraft kostet. 
Den Liedgesang pflegt die Sängerin von jeher, gleichberechtigt neben ihren Opernpartien, die von der Königin der Nacht bis zur Norma und von Zerbinetta bis zu Lucia di Lammermoor reich(t)en. Doch trotz der stimmlichen Virtuosität gibt diese Schubert-CD nicht nur Anlass zum Beifall. Die Stärke von Edita Gruberova sind zweifellos jene Lieder, die szenisch angelegt sind, die erzählen. Alexander Schmalcz ist dort am besten, wo die Aufgaben auch technisch anspruchsvoll sind. Das führt zu einem ersten Höhepunkt dieser CD, dem berühmten Gretchen am Spinnrade
Hier lässt der Pianist das Rädchen schnurren, während die Sängerin das Grübeln des Mädchens zum Anlass nimmt, den Konflikt, in dem sich Gretchen befindet, hörbar zu machen. Das ist große Kunst. Die drei Lieder zuvor hingegen berühren nicht. Das Klavier begleitet die Sängerin, statt in einen Dialog mit ihr zu treten. Gestaltung und Struktur vermisst man hier schmerzlich. Wer die Stücke nicht kennt, hat Pech - der Text bleibt leider völlig unverständlich. Die italieni- schen Stücke gelingen besser. Grandios singt die Gruberova schließ- lich die beiden Lieder der Mignon, und einige von Schuberts großarti- gen Balladen. 

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