Mittwoch, 29. Februar 2012

Schumann: Cello Concerto in A minor; Klöckner (Genuin)

Diese CD bietet gleich zwei außer- ordentlich spannende Versionen von Schumanns berühmtem Cellokonzert. Da wäre zum einen eine Bearbeitung für Solocello und Streichorchester von Florian Vygen und Alexander Kahl. Darauf folgt dann gleich noch ein weiteres Arrangement - für vier Celli. Es stammt von Richard Klemm (1902 bis 1988), Cellist in der Staatska- pelle und ab 1958 Professor an der Musikhochschule in Berlin. Er be- arbeitete etliche bekannte Werke für vier Celli, in erster Linie für Unterrichtszwecke. Denn die Schüler sollten das jeweilige Konzert bestmöglich kennenlernen, um schließ- lich den Solopart des Originals souverän und homogen gestalten zu können. 
Solist Benedict Klöckner, Jahrgang 1989 und Gewinner zahlreicher internationaler Wettbewerbe, ist ein Schüler von Professor Martin Ostertag, Karlsruhe, und studiert seit Oktober 2009 an der Kronberg Academy bei Professor Frans Helmerson. Bei dieser Aufnahme ist er von renommierten Kollegen umgeben. So musizieren im Quartett gemeinsam mit ihm Leander Kippenberg, Lukas Sieber und Michael Preuß, die früheren Solocellisten der Deutschen Streicherphilharmo- nie. 
Dieses Elite-Ensemble, in dem die besten Schüler von deutschen Musikschulen im Alter von elf bis 19 Jahren musizieren, ist auch bei der ersten Version des Schumann-Cellokonzertes zu hören. Es wird seit 2003 von Michael Sanderling geleitet, der viele Jahre lang als Violoncellosolist erfolgreich war, in Frankfurt/Main Cello-Studenten unterrichtet, und sich in den letzten Jahren zunehmend aufs Diri- gieren verlegt hat. 
Die Deutsche Streicherphilharmonie gestaltet gemeinsam mit Bene- dict Klöckner die klangschönste Aufnahme des Schumann-Cello- konzertes, die ich kenne. Mit einem derart noblen, singenden Ton war das Werk noch nie zu hören. Das "Concertstück" hat allerdings auch dramatische Passagen - und dort gerät diese Werkauffassung an ihre Grenzen. 
Die Quartett-Version begeistert durch ihre kammermusikalische Transparenz und eine breite Palette an Klangfarben, die von den vier Cellisten sehr gezielt eingesetzt werden. Technische Probleme haben die jungen Musiker ohnehin an keiner Stelle. Wenn das die Profis von morgen sind, dann ist einem um die Zukunft der klassischen Musik hierzulande nicht bange. 

Dienstag, 28. Februar 2012

Zelenka: Il serpente di bronzo (Nibiru)

Jan Dismas Zelenka (1679 bis 1745) wirkte als Kontrabassist, Kapellmeister - ohne freilich jemals diesen Titel zu erhalten - und "Kirchen-Compositeur" am Dresdner Hof. Seine Kantate Il serpente di bronzo wurde am Karfreitag 1730 erstmals aufge- führt. Sie gehörte in die Reihe jener italienischen Oratorien, die bis 1825 alljährlich am Karfreitag und Karsamstag in der Hofkirche erklangen. Diese galten nicht dem Passionsbericht, sondern Erzählungen aus dem Alten und Neuen Testament, die mit dem Leiden und Sterben Christi assoziiert wur- den. 
Il serpente di bronzo beruht auf Numeri 21, 4 bis 9; der Librettist, Hofpoet Stefano Benedetto Pallavicini, erfindet dazu drei Figuren - Azaria, Namuel und Egla, um den biblischen Bericht in eine kurze Handlung zu bringen. Das Volk Israel nämlich ist müde geworden, will nicht länger durch die Wüste marschieren und sehnt sich nach Ägyp- ten zurück. Um das Volk zu strafen, sendet Gott, Bass, in seinem Zorn Schlangen aus, die mit einem Biss die Zweifler zum Schweigen bringen und jede Flucht verhindern sollen. Derart bedrängt, wird das Volk schnell wieder fromm - und Mose, Tenor, fleht zu Gott um Hilfe. Der lässt mit sich reden, und weist Mose an, eine Schlange gießen und aufstellen zu lassen. Wer diese Statue ansieht, der soll - wenn er wür- dig ist - geheilt werden. Und dann berichtet Moses von der Vision des an Kreuz genagelten Gottes - und nur, wer ihm seinen Blick zuwendet, der finde Heil und Leben. 
Zelenkas Umsetzung dieser Geschichte erweist sich als außerordent- lich originell und zugleich klangschön. Der Komponist verzichtet beispielsweise auf eine Ouvertüre; er eröffnet und beschließt das Werk mit Doppelchören. Insbesondere in den Klagegesängen und in dem grandiosen Gebet des Mose offenbart Zelenka, dass er sein Handwerk in herausragender Weise verstand. 
Adam Viktora hat das Werk nun mit dem Ensemble Inégal in Welt- ersteinspielung bei dem tschechischen Label Nibiru vorgestellt. Die Aufnahme beeindruckt. Das Ensemble musiziert frisch und rhetorisch versiert, und auch die Sänger sind exzellent. Insbesondere die Soli- sten sind ausgewiesene Experten für "Alte" Musik, die schon an zahl- reichen anderen Projekten mitgewirkt haben. Zu hören sind Hana Blaziková, Sopran, Petra Noskaiová und Alex Potter, Alt, Jaroslav Brezina, Tenor und Peter Kooij, Bass.

Montag, 27. Februar 2012

Glenn Gould plays Bach (Idis)

Mit einer Einspielung der Gold- berg-Variationen für Columbia Records sorgte Glenn Gould (1932 bis 1982) 1955 weltweit für Auf- sehen. Hört man diese Rundfunk- aufnahmen des Musikers aus den frühen 50er Jahren heute an, so wirken seine Bach-Interpreta- tionen jedoch eher visionär als beunruhigend. Der Pianist, der als exzentrisch galt, zelebrierte "sei- nen" Bach strikt kontrapunktisch, dabei sehr rhythmusbetont und gestochen scharf artikuliert. Derart vorgetragen, wirken die Stücke klanglich beinahe, als imitierte Gould ein Cembalo. Und man muss sagen, dass diese Aufnahmen auch heute noch beeindrucken. 

Strauss: Der Rosenkavalier (Glyndebourne)

Über das Opernereignis Glynde- bourne Festival ist in diesem Blog schon mehrfach berichtet worden. Das Unternehmen legt schrittweise Mitschnitte von Aufführungen aus seiner grandiosen Vergangenheit vor - in diesem Falle handelt es sich um eine Aufzeichnung von Richard Strauss' Rosenkavalier, aufgenommen am 30. Mai 1965. 
Das Ensemble ist exzellent - so ist als Feldmarschallin Montserrat Caballé zu erleben, als Octavian die polnische Mezzosopranistin Teresa Zylis-Gara, als Sophie die junge Edith Mathis, und als Baron Ochs auf Lerchenau Otto Edelmann. Auch die weniger gewichtigen Partien sind gut besetzt, und die Aufführung sprüht geradezu vor komödiantischem Geist. Das London Philharmo- nic Orchestra spielt unter John Pritchard; er betont die theatrali- schen Akzente der Handlung. Da verzeiht man gerne manchen derben Ton insbesondere der Blechbläser. Köstlich! 

Quantz: Flötenkonzerte (Berlin Classics)

Johann Joachim Quantz (1697 bis 1773) spielte ursprünglich als Oboist und Geiger in der Polni- schen Kapelle am Dresdner Hof. Doch schon bald erkannte er, dass die Traversflöte ein Instrument mit Zukunft ist. Er nahm bei Pierre Gabriel Buffardin, dem ersten Flötisten der Hofkapelle, Unter- richt, und begann zudem, für die Querflöte zu komponieren. 
Denn für dieses innovative Instru- ment, das gerade erst an die Stelle der Blockflöte trat, gab es zu jener Zeit kaum Literatur. So schuf allein Quantz etwa 300 Flötenkonzerte, dem italienischen Vorbild folgend, aber auch durch Elemente aus der französischen und der deutschen Musiktradition bereichert. 
Auch der preußische Kronprinz zeigte sich bei einem Besuch in Dresden schwer beeindruckt. Dabei blieb es nicht: 1741 ging Quantz als Flötenlehrer und Hofkomponist an den Hof Friedrichs II., den er bereits seit 1728 im Flötenspiel unterwiesen hatte. Er war möglicher- weise der einzige Mensch in Preußen, der den König kritisieren durfte. 
Quantz' Konzerte vereinen herrliche melodische Linien mit virtuoser Brillanz. Friedrich soll sie fast 30 Jahre lang bei seinen täglichen Soireen gespielt haben. Johannes Walter hat für diese CD vier Flöten- konzerte - Nummer 109, 132, 161 und 187 - ausgewählt. Zwei davon sind sehr bekannt, zwei Raritäten. Und obwohl die Aufnahmen aus den Jahren 1985 und 1986 stammen, ist bis heute nichts Vergleich- bares zu bekommen. Johannes Walter musiziert mit den Dresdner Kammersolisten wirklich wundervoll; wer die Konzerte hören möchte, der sollte daher diese CD wählen. 

Sonntag, 26. Februar 2012

Fritz Wunderlich - Die Electrola-Querschnitte (EMI Classics)

"Wir standen da im Studio und haben uns immer mehr hineinge- steigert - so als ob wir auf der Bühne wären", erinnerte sich Pilar Lorengar an die Aufzeichnung dieser legendären Opernquer- schnitte. Sie entstanden in den Jahren 1957 bis 1963, und haben, trotz der zeitlichen Distanz, noch immer etwas Magisches an sich. Das liegt nicht zuletzt an den exzellenten Sängern, die daran mitgewirkt haben - unter anderem Anneliese Rothenberger, Hetty Plümacher, der auch in kleinen Rollen großartige Fritz Wunderlich, Hermann Prey und Gottlob Frick. 
Diese "Wunderkiste" enthält Puccinis Opern Madame Butterfly und La Bohème, Mozarts Don Giovanni, Thomas' Mignon, Flotows Martha, Lortzings Zar und Zimmermann sowie Eugen Onegin und Pique Dame von Tschaikowski. Gesungen wird durchweg in deutscher Sprache. Für diese Sieben-CD-Box wurden die Electrola-Querschnitte zudem sehr ordentlich remastert, was zum Hörvergnügen beiträgt. 

Weiss: Lute Sonatas (Naxos)

Sylvius Leopold Weiß (1687 bis 1750) stammte aus Schlesien, vermutlich aus Grottkau. Sein Vater spielte Laute und Theorbe, und er unterwies auch seine Kinder in dieser Kunst. Sylvius Leopold Weiß muss ein Wunderkind gewe- sen sein; er soll schon im Alter von sieben Jahren vor Kaiser Leopold I. gespielt haben. Eine erste An- stellung fand er am Hof von Karl Philipp von Pfalz-Neuburg. Er reiste im Gefolge des polnischen Prinzen Alexander Sobieski nach Italien, was natürlich Auswirkungen auf seine Musik hatte, die sich ansonsten stark an französischen Vorbildern orientiert. 1717 spielte Weiß erstmals am Dresdner Hof vor; ein Jahr später wurde er Kammerlautenist Augusts des Starken. In Sachsen blieb Weiß bis an sein Lebensende; er schlug dafür sogar ein enorm hoch dotiertes Engagement in Wien aus. 
Mit Bach war Weiß offenbar gut bekannt. Johann Friedrich Reichardt berichtet, dass die beiden Musiker um die Wette improvisierten: "Wer die Schwierigkeiten der Laute für harmonische Ausweichungen und gut ausgeführte Sätze kennt, der muss erstaunen und kann es kaum glauben, wenn Augen- und Ohrenzeugen versichern, dass der große Dresdner Lautenist Weisse mit Sebastian Bach, der auch als Klavier- und Orgelspieler groß war, in die Wette phantasiert und Fugensätze ausgeführt hat." 
Sein Kollege Ernst Gottlieb Baron, am preußischen Hof angestellt, geriet beim Gedanken an Weiß geradezu ins Schwärmen: "Er ist der Erste gewesen, welcher gezeiget, daß man mehr könnte auf der Laute machen, als man sonsten nicht geglaubet", schrieb er 1727. "Und kann ich, was mein Vertu anbetrifft, aufrichtig versichern, daß es einerley, ob man einen künstlichen Organisten auf einem Clavier- cimbel seine Fantasien und Fugen machen, oder Monsieur Weißen spielen hört. In denen Harpeggio hat er so eine allgemeine Voll- stimmigkeit, in exprimirung derer Affecten ist er incomparable, hat eine stupende Fertigkeit, eine unerhörte Delicatesse und cantable Anmuth, und ist ein großer Extemporaneur, da er im Augenblicke, wenn es ihm beliebig, die schönsten Themata, ja gar Violinconcerte von ihren Noten wegspielt, und extraordinär sowohl auf der Lauten, als Tiorba den Generalbaß accompagnirt." 
Desto mehr verwundert es, dass Weiß' Werke eher zögerlich aus diver- sen Archiven zusammengetragen, ediert und eingespielt werden. Bei Naxos erscheint nun die erste Gesamteinspielung seiner Lauten- sonaten. Das Label konnte dafür Robert Barto gewinnen, der ganz offenkundig zu den besten Lautenisten unserer Zeit gehört. Denn wie er die teilweise enorm anspruchsvollen Werke zum Klingen bringt, das verlangt höchsten Respekt. Diese Aufnahmen sind herausragend, und ein Hörvergnügen vom ersten bis zum letzten Ton. Bravo! 

Vivaldi: Il Cimento dell'armonia e dell'inventione (Linn Records)

Pavlo Beznosiuk spielt seit mehr als 25 Jahren "alte" Musik. Ob Renaissance-Violine im Ensemble The Parley of Instruments oder ihre mittelalterlichen Verwandten Vielle, Rebec und Lira da Braccio im The New London Consort - kaum ein Instrument aus der großen Familie der Violinen dürfte dem Musiker fremd sein. 
Mit seinem eigenen, dem Avison Ensemble, hat der Geiger nun eines der ganz großen Werke der Musik- geschichte eingespielt: Il cimento dell'armonia e dell'inventione nannte Antonio Vivaldi eine Samm- lung von zwölf Violinkonzerten, die 1725 in Amsterdam als Opus 8 erstmals gedruckt wurde. Sie enthält unter anderem die berühmten Vier Jahreszeiten
Beznosiuk und The Avison Ensemble musizieren originell und tempe- ramentvoll; nicht jede Lösung, die sie finden, vermag zu überzeugen - doch das ist auch Geschmackssache. Wer eine frische, aber zugleich wohlstrukturierte Vivaldi-Lesart bevorzugt, der wird diese Aufnahme mögen. 

Samstag, 25. Februar 2012

Nudera: Bassetthorntrios (Cavalli Records)

Adalbert Nudera (1748 bis 1811) gehört zur großen Schar jener Musiker, die zur Zeit Mozarts aus Böhmen kamen - und wie so oft, ist auch über ihn nur sehr wenig be- kannt. Über seine Kindheit und Jugend wissen wir nichts. Zu erfah- ren ist, dass er Chorsänger und Geiger an der Kapitelkirche St. Pe- ter und Paul auf dem Vysehrad in Prag war. Von seinen Werken sind nur wenige überliefert, darunter fünf Divertimenti und eine Suite von vier Polonaisen für drei Bassetthörner. 
Sie werden hier erstmals vollständig eingespielt vom Ensemble Clari- monia, das sich auf Klarinettenliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Die Musiker Matthias Höfer, Bernhard Kösling, Ekkehard Sauer und Jochen Seggelke spielen mit Engagement eine Vielzahl von Instrumenten der Klarinettenfamilie, jeweils in der historisch korrekten Form - hier sind es Bassetthörner, die Tenöre im Klarinettenchor. 
Sie haben einen sehr eigenen, reizvollen Klang, den beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendelssohn Bartholdy und auch Richard Strauss sehr schätzten. Mit Schwung und Musizierlust prä- sentiert das Ensemble Clarimonia die hübschen, graziösen Stücke Adalbert Nuderas - eine CD, die gute Laune verbreitet, und eine Entdeckung, die ich nicht nur Liebhabern von Bläser-Kammermusik mit Nachdruck empfehlen möchte.

Haydn: String Quartets, Takács Quartet (Hyperion)

Das Takács-Quartett wurde 1975 an der Budapester Musikhoch- schule von vier Studenten gegrün- det - Gabor Takács-Nagy, Károly Schranz, Gabor Ormai und András Fejér. Die Musiker haben seitdem eine Menge Preise gewonnen. Zwar hat sich die Besetzung mittlerweile mehrfach geändert; an der ersten Violine ist heute der britische Gei- ger Edward Dusinberre zu hören, und die Viola spielt Geraldine Walther, aufgewachsen in Tampa, Florida/USA. Doch die Qualität ist geblieben, wie diese Aufnahmen beweisen.
Die Streichquartette op. 71 und 74 schuf Joseph Haydn nach seiner ersten England-Reise. Waren solche Werke in Wien seinerzeit übli- cherweise für Liebhaberkreise bestimmt, ließ der in London lebende Violinist und Impresario Johann Peter Salomon Streichquartette regelmäßig bei seinen Konzerten spielen. Dieses Erlebnis scheint Haydn bewogen zu haben, für seine zweite Reise nach London eine Gruppe von Streichquartetten vorzubereiten, die deutlich publikums- orientierter waren als seine älteren Werke. Sie sind effektvoll, kunst- voll strukturiert und überraschen mit einer Fülle an musikalischen Ideen. Das Takács-Quartett zelebriert diese herrliche Musik mit Ge- nuß - und mit einer Eleganz, die begeistert. 

Freitag, 10. Februar 2012

Music in and on the air - Clara Rockmore, theremin (Roméo Records)

Diese CD stellt ein kurioses Musik- instrument vor: Das Theremin, erfunden 1919 von dem russischen Physikprofessor Lew Sergejewitsch Termen, ist das älteste elektroni- sche Musikinstrument überhaupt. Es wird über Bewegungen der Arme und Hände in einem elektri- schen Feld gespielt, wodurch sich Tonhöhe und Lautstärke verän- dern lassen. 
Mit seinem ätherischen, körperlos wirkenden Klang - der wohl am ehesten an eine Violine erinnert - wurde das Theremin vor allem in der Filmmusik gern eingesetzt; nachdem das Instrument beinahe in Vergessenheit geraten wäre, erlebt es in jüngster Vergangenheit eine Renaissance. Clara Rockmore (1911 bis 1998) war die wohl bedeutendste Theremin-Virtuosin. 

Double Bass goes Beethoven (Solo Musica)

"1799 spielte Beethoven seine Sonate Opus 5, Nr. 2 in g-Moll selbst am Klavier - zusammen mit dem größten Kontrabassisten jener Zeit, Domenico Dragonetti. Diese Tatsache hat mich schon in meinen Jugendjahren beein- druckt", berichtet Bozo Paradzik in dem mit großer Sorgfalt zusam- mengestellten Beiheft zu dieser CD, "und seither träumte ich davon, auch selbst einmal eine Beetho- ven-Sonate auf dem Kontrabass zu spielen." 
Der Kontrabassist, ausgebildet in Sarajevo und Prag, hat nun diesen Kindheitstraum verwirklicht: Mit dieser CD beginnt er eine Gesamt- einspielung der Cello-Sonaten Beethovens auf dem Kontrabass, unter Verwendung eines modernen Konzertflügels. Eigens dafür ließ er sich von Derek High ein Instrument bauen, das ein größeres Klangvolu- men und auch einen wesentlich brillanteren Klang mitbringt als die "normalen" Kontrabässe. Dieses Instrument stimmte er eine Quarte höher als heute im Orchester üblich. Diese scordatura verstärkt ebenfalls die Strahlkraft des Tones. 
Das Beiheft macht zudem deutlich, wie wohlüberlegt Paradzik jede einzelne Passage angeht. Allein die Sonaten, die Ludwig van Beetho- ven für das Violoncello schrieb, sind schon auf diesem kleineren Geschwister aus der Reihe der Streichinstrumente eine Herausforde- rung für jeden Solisten. Auf dem Kontrabass wird ihre Interpretation zum Vabanquespiel - und da zeigt sich, dass Paradzik eben doch nicht Dragonetti ist. Nicht alles klingt erfreulich, was hier zu hören ist. Vielleicht war dieses Projekt doch zu amitioniert. 

Xuefei Yang - Bach Concertos (EMI Classics)

"Bach ist einer der größten Kom- ponisten, der je gelebt hat. Seine Musik ist zeitlos", meint Xuefei Yang. "Es ist einfach wunderbar, solch große Musik auf der Gitarre spielen zu können." Weil der Thomaskantor aber nicht für das Instrument komponiert hat, setzt auch sie auf Bearbeitungen - und zwar auf eigene. Die chinesische Gitarristin hat für ihre CD die beiden Violinkonzerte BWV 1041 und 1042 ausgewählt, sowie das Cembalokonzert BWV 1052, und hat daraus Gitarrenkonzerte gemacht, die sie gemeinsam mit dem Elias Streichquartett vorträgt.
"Die Sonaten und Partiten für Solovioline sind gitarristisches Standardrepertoire geworden", begründet Yang ihre Auswahl. "Ich arbeite schon seit einigen Jahren an diesen Werken und mag sie wirklich gern. Deshalb fragte ich mich, ob nicht auch Bachs wunderbare Violinkonzerte auf der Gitarre möglich wären." Die Musikerin stellte fest, dass sich die Violinstimme auf der Gitarre spielen ließ. "Außerdem sah ich, dass Bach die beiden Konzerte selbst für Cembalo bearbeitet hatte. So bekam ich eine gute Vorstellung davon, wie sie auf einem mehrstimmigen Instrument klingen könn- ten, und das prägte meine Transkription." 
Auch das d-Moll-Cembalo- konzert soll ursprünglich ein Violinkonzert gewesen sein. Es war aber deutlich schwieriger, es für Gitarre zu arrangieren, berichtet Yang, "weil die Musik so intensiv und so sehr aufs Cembalo zugeschnitten ist". 
Bei der Arbeit an den Konzert-Arrangements orientierte sie sich an Bachs Bearbeitungspraxis. "Die Werke sollte wie Gitarrenkonzerte klingen", so Yang. "Ich nahm mir also Bachs eigene Cembalo-Ein- richtungen der Violinkonzerte vor, um damit meine Gitarren-Transkriptionen zu beseelen, und orientierte mich am stilistischen Vorbild seiner Lautentranskriptionen." Um den Klang der Gitarre zur Geltung kommen zu lassen, entschied sich die Musikerin zudem für die Begleitung durch ein Streichquartett. 
Die drei Konzerte ergänzte Yang durch das erste Präludium BWV 846 aus dem Wohltemperierten Clavier, transponiert von C-Dur nach A-Dur, ansonsten aber textgetreu vorgetragen auf einer siebensaitigen Gitarre von Paul Fischer. Bei den Konzerten spielt die Gitarristin ein klangstarkes Instrument von Greg Smallman, für die Solowerke eine Gitarre mit Fichtendecke aus der Werkstatt von Karl-Heinz Roem- mich mit einem hellen, klaren Klang - was ohne Zweifel insbesondere für die Violinsonate g-Moll BWV 1001 exzellent passt. Sie hat Yang für diese CD ausgewählt, "weil Bach die Fuge dieses Werkes selbst für Laute eingerichtet hat und sie mich als erstes zu den Violinkonzerten führte." Um der Gitarre gerecht zu werden, erklingt die Solosonate allerdings in a-Moll. Und zum Abschluss gönnt sich die Gitarristin das berühmte Air aus der Orchestersuite D-Dur BWV 1068. 
Yang beherrscht ihr Instrument grandios gut - doch diese spieltech- nische Stärke verleitet die Gitarristin, mitunter auch zuviel des Guten zu tun. Ihre Arrangements erscheinen romantisch; man meint mitunter, eher Vivaldi zu hören als Bach, und mitunter erscheint mir da die Grenze zum Kitsch überschritten. Wer eine Synthese aus Bach und Flamenco mag, der wird diese CD lieben - mein Geschmack ist sie eher nicht. 

Donnerstag, 9. Februar 2012

Bach: Transcriptions for Guitar (Naxos)

Wer Bach auf der Gitarre spielen will, der hat ein Problem. Denn der Komponist hat für dieses Instru- ment kein einziges Werk geschrie- ben. Also haben Generationen von Gitarristen seiner Werke für Gitar- re bearbeitet - ein  Verfahren, das auch Bach selbst gern und viel ge- nutzt hat, um musikalische Ideen zu transferieren. 
Der französische Gitarrist Judicael Perroy, Jahrgang 1973, hat bei Naxos die c-Moll-Partita BWV 826 aus der Clavierübung in einem Arrangement für Gitarre von Tristan Manoukian eingespielt, und die Lautensuite BWV 997 sowie Präludium, Fuge und Allegro BWV 998 in einer Version von Tilman Hoppstock. Das Concerto in D-Dur BWV 972, ursprünglich eine Variante für Cembalo nach einem Violin- konzert Vivaldis aus L'estro armonico, hat Perroy selber für Gitarre arrangiert. Dabei zeigt er enormes Geschick, so dass im Ergebnis tatsächlich ein Gitarrenkonzert vorliegt - und das hat es in sich. 
Doch technische Probleme hat der Gitarrist ohnehin nirgends; sein Bach-Spiel ist erfreulich klar strukturiert, stets durchdacht und durchhörbar. Mir hat diese CD daher Hörvergnügen bereitet - und ich bin gespannt auf die folgenden CD des jungen Musikers. Bravo! 

Mittwoch, 8. Februar 2012

Telemann: Germanicus (cpo)

Musikhistorisch gesehen, ist diese Aufnahme eine Sensation. Denn bislang galten die "etlichen und zwantzig Opern", die Georg Philipp Telemann in seinen Jugendjahren für das Leipziger Opernhaus kom- poniert haben will, als verloren. In jüngster Vergangenheit jedoch ha- ben sich von einigen der 74 Opern, die in der Messestadt an der Pleiße im Zeitraum von der Gründung bis zur Pleite der Oper 1720 aufge- führt worden sind, Fragmente angefunden. Im Falle des Germanicus spürte Michael Maul, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bach-Archiv, in der Frankfurter Universitätsbibliothek 40 Arien auf, die bislang als Werke von Gottfried Grünewald galten - und er konnte nachweisen, dass es sich um jene Version der Telemann-Oper handeln muss, die 1710 zur Michaelismesse erklungen ist. Er fand zudem heraus, dass das Libretto, das vollständig erhalten ist, von der Pfarrersfrau Christine Dorothea Lachs, einer Tochter des Gründers der Leipziger Oper Nikolaus Adam Strungk, stammt, die auch noch weitere Texte für Telemann geschaffen hat. Weil aber die Rezitative, anders als die Arien, nicht zu rekonstruieren waren, ergab sich für die vorliegende Einspielung ein Problem.
Experte Maul hat die Leerstellen mit Sprechertexten gefüllt, die die Handlung zusammenfassen. So wird die Oper wieder aufführbar, quasi als Singspiel. Gotthold Schwarz hat sie mit dem Sächsischen Barock- orchester sowie Olivia Stahn und Elisabeth Scholl, Sopran, Thomaner Friedrich Praetorius, Knabensopran, Matthias Rexroth, Altus, Albrecht Sack, Tenor, und Henryk Böhm und Tobias Berndt, Bass, zu den Telemann-Festspielen 2010 in Magdeburg erstmals wieder zum Klingen gebracht. Im Nachgang ist dann zudem die vorliegende 3-CD-Box entstanden. 
Selbst bei diesem Frühwerk, das Telemann als Student geschaffen hat, ist schon erkennbar, wie versiert der Komponist die Klangrede einsetzt, um Personen und Situationen plastisch zu schildern. An einzelnen Teilen wird zudem deutlich, wie sich innerhalb weniger Jahre - die Urfassung entstand 1704, da war Telemann noch Student, die überarbeitete Version hingegen schrieb er 1710 bereits als Kapellmeister in Eisenach - sein musikalisches Ausdrucksvermögen gesteigert hat. Für den Musikhistoriker mag das eine Offenbarung bedeuten. Beim Opernfreund aber dürfte diese Aufnahme in erster Linie Ratlosigkeit hinterlassen. Denn um sie wirklich genießen zu können, reicht die Substanz nicht aus. Und auch die Zwischentexte tragen nach Kräften dazu bei, dass sich Langeweile ausbreitet. Schade. 

Dienstag, 7. Februar 2012

Prokofiev: Romeo and Juliet (Decca)

In der Ballett Edition des Labels Decca erschien kürzlich eine Einspielung des Balletts Romeo und Julia von Sergej Prokofjew mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter Vladimir Ashkenazy aus dem Jahre 1991. Dabei handelt es sich tatsächlich um eine Gesamtauf- nahme der Ballettmusik - was schon an sich eine ziemliche Rari- tät ist; meistens erscheinen auf CD nur die Suiten oder Kombinationen daraus. 
Ashkenazy hat sich bereits als Pianist intensiv mit dem Werk Prokofjews beschäftigt. So hat er alle seine Klavierkonzerte eingespielt, und eine Klaviertranskription von Romeo und Julia. Es war daher nur konsequent, dass er sich dann als Dirigent noch einmal diesem Ballett zugewendet hat. Seine Interpre- tation erweist sich als durchdacht und klar strukturiert; sie ist tänze- risch und farbenreich, kostet aber auch die dramatischen Momente aus. Aus diesem Grunde kann diese Aufnahme hier empfohlen werden. 

Weimarer Bläserquintett (Genuin)

"Ein Konzerterlebnis", nennt sich diese CD im Untertitel - und sie hält, was sie damit verspricht. Als ginge es darum, jeden Zweifel auszuräumen, stellen  Tomo Andreas Jäckle, Flöte, Frederike Timmermann, Oboe, Sebastian Lambertz, Klarinette, Stephan Schottstädt, Horn und Jacob Karwath, Fagott, gleich im ersten Stück ihre handwerkliche Brillanz unter Beweis. Die fünf Musiker präsentieren die Ouvertüre zu Mozarts Oper Die Zauberflöte in einer Bearbeitung von Joachim Linckelmann, dass es ein Vergnügen ist, ihnen dabei zuzuhören. Hier wird nicht nur überaus gekonnt, sondern obendrein auch noch mit Humor und mit viel Sinn für Klangfarben musiziert. 
Es folgt das Bläserquintett von Pavel Haas (1899 bis 1944) aus dem Jahre 1929, ein von Melancholie überschattetes Werk, das den mährischen Komponisten seinerzeit europaweit bekannt machte. Doch sein Ruhm hat den Schüler von Leos Janácek nicht gerettet; er galt als "Halbjude" und wurde in Auschwitz umgebracht. 
Franz Danzi (1763 bis 1826) schuf neun Bläserquintette für die Musi- ker um Antonín Reicha, den Begründer des Genres. Für diese CD hat das Weimarer Ensemble eines davon ausgewählt, das sich als elegante Unterhaltungsmusik erweist. Im Kontrast dazu steht das Bläserquin- tett von Elliot Carter, Jahrgang 1908, das dieser 1948 komponiert hat. Es zeigt die fünf Instrumente als mehr oder minder kapriziöse, manchmal auch geschwätzige Individualisten, die es dennoch letzten Endes schaffen, gemeinsam Kammermusik zu machen. Die CD endet romantisch mit einem Werk des berühmten Flötisten Paul Taffanel (1844 bis 1908).  

Montag, 6. Februar 2012

Handel: The complete Italian cantatas for bass (Accent)

Während seines zweimonatigen Aufenthaltes in Neapel, wo er die Aufführung einer Festmusik anlässlich einer Fürstenhochzeit vorbereitete, komponierte Georg Friedrich Händel im Sommer 1708 zwei spektakuläre Kantaten für Bass. Möglicherweise sind sie für den Bassisten Domenico Antonio Manna entstanden, der ebenfalls für die Festmusiken engagiert war. Wer auch immer Nell'africane selve und Cuopre tal volta il cielo gesungen hat - es muss ein grandioser Sänger gewesen sein. Denn die technischen Anforderungen, die diese Kabinettstückchen stellen, sind derart extrem, dass sich bis heute kaum ein Sänger an diese Werke heranwagt. 
"Die beiden Kantaten sind ein völlig anderes Kaliber als die Basspar- tien, die Händel später in seinen Londoner Opern für so berühmte Sänger wie Boschi oder Montagnana geschrieben hat",  stellt Rai- mund Nolte fest. Er muss es wissen, denn er ist der Solist der vorlie- genden Aufnahme. "In beiden Kantaten finden wir (...) den Kontrast zwischen einer recht hoch gelegenen Baritonarie und einer Arie mit absurd großem Umfang und außergewöhnlicher Tiefe. In der ersten Arie von Cuopre tal volta il cielo geht es noch vergleichsweise human zu mit Umfang Fis-fis'. Nur im Accompagnato findet sich ein tiefes D, das ein geübter Sänger des Barock leicht in die Höhe um- legen konnte. Die Schlussarie Per pietà de miei martiri liegt dagegen sehr hoch mit Umfang G-g'", erläutert der Sänger. "Viel drastischer sind die Verhältnisse in Nell'africane selve, wo die zweite Arie Chiedo amore den Umfang A-fis' verlangt, während die erste Arie gewissermaßen 'denVogel abschießt'. Es handelt sich um ein Lamento über das traurige Schicksal eines gefangenen Löwen, der nun nicht mehr der König des Dschungels ist. Mit Tonsprüngen von mehr als zweieinhalb Oktaven vom tiefen Cis bis a' verstrickt sich der Löwe im Netz." 
Ob die afrikanische Wildnis oder ein Sturm vor der Küste Neapels - Händel setzt auf Naturbilder, brillant in Tonmalereien umgesetzt, um das Leiden von Liebenden zu schildern. In rasant-verwegenen Triolen- koloraturen und ebenso gewagten Sprüngen quer durch die Register zeigt er das aufgewühlte Meer. Lautmalereien und unge- wöhnliche Akkorde entführen das Publikum in ein hochartifizielles Afrika - die Zuhörer der Barockzeit, die derlei Kunstkniffe zu würdigen wussten, werden begeistert gewesen sein. 
Doch selbst die meisten Solisten der Händel-Zeit dürften diese Partien mit ihren mörderischen Anforderungen gemieden haben. Der Maestro selbst schrieb auch in Rom zwei Bass-Kantaten; sie sind ebenfalls hörenswert, doch technisch lang nicht so anspruchsvoll. Bassbariton Raimund Nolte hat sich an alle vier Kantaten gewagt, und sich dabei sehr achtbar geschlagen. Auch die Batzdorfer Hofkapelle musiziert lustvoll, und ergänzt Händels Kantaten noch um zwei hübsche Instrumentalstücke, deren Grundsubstanz möglicherweise ebenfalls aus diesen frühen Jahren stammt. 

Sonntag, 5. Februar 2012

Verdi: Il Trovatore (Oehms Classics)

Dieser Troubador ist ein Live-Mitschnitt von den Ludwigsburger Schlossfestspielen aus dem Jahre 2009 - und eine Überraschung. Denn wer bei Verdi verschreckt an zu laute Orchester, knödelnde Te- nöre und die Spitzentöne mühsam emporstemmende Primadonnen denkt, der wird erfreut feststellen, dass die Schwaben offenbar Geschmack haben. Denn sie haben auf diese geradezu klassischen Zutaten der Stadttheater-Verdi-Inszenierung verzichtet.
Allein die Besetzungsliste macht neugierig auf diese Aufnahme. Und in der Tat wird der Opernfreund schnell feststellen, dass dieser Trovatore jenen legendären Einspielungen, die man gemeinhin als Referenzaufnahmen behält, durchaus zur Seite gestellt werden kann. Simone Kermes ist eine atemberaubende Leonora. Sie singt diese Partie mit engelsgleicher Leichtigkeit, da kann nicht einmal die Callas mithalten. Kermes macht allein durch ihren Gesang verständlich, warum diese Hofdame der Prinzessin von Aragón von Männern derart umworben wird - und das Kloster wählt, als sie annehmen muss, dass Manrico, den sie liebt, im Kampf umgekommen ist. Luna vorzuheucheln, dass sie ihm gehören wird, um Manrico die Flucht zu ermöglichen, das ist für diese ätherische Gestalt ein unerhörter Schritt. 
Herbert Lippert singt den Manrico mit Strahlkraft und mit einer beeindruckenden Pianokultur, Miljenko Turk seinen Widersacher, den Grafen Luna, geschmeidig und energisch - und so, dass man auch ihm glaubt, dass er verliebt ist. Das hat man so noch nicht gehört. Yvonne Naef als Zigeunerin Azucena und vermeintliche Mutter Manricos ist vielleicht die konventionellste Stimme dieser konzertan- ten Aufführung. Doch auch sie vermag es, die Geheimnisse dieser zutiefst traumatisierten Frau glaubhaft werden zu lassen. Den Ferran- do singt Josef Wagner. 
Vergleicht man diese Aufnahme mit der bisher meiner Ansicht nach unerreichten Einspielung mit Joan Sutherland und Marilyn Horne sowie Pavarotti, Wixell und Ghiaurov, und dem National Philhar- monic Orchestra unter Richard Bonynge, so fällt sofort auf, dass die ältere Aufnahme deutlich zäher wirkt - und lauter. 
Michael Hofstetter lässt Orchester und Chor der Ludwigsburger Schlossfestspiele zwar energisch, aber dabei schlank und durchhör- bar musizieren. Statt Klangbrei gibt's Klangfarben, sorgfältig heraus- gearbeitet, und Tempi, die verblüffen. Mitunter hat man den Ein- druck, dass die Zeit stillsteht - so am Beginn von Lunas Arie Il balen del suo sorriso - dafür geht es aber ansonsten oft irrwitzig schnell voran. 
Hofstetter setzt auf die Phrasierung statt auf einen Handlungsbogen, der in dieser Oper ohnehin nicht so recht funktioniert. Daraus erge- ben sich atemberaubend intensive Momente. So hört man während Azucenas großer Erzählung im Orchester jene Kämpfe wüten, die die Zigeunerin in ihrem Inneren austrägt - und die sie erneut verleugnet, als sie Manrico bestätigt, er sei ihr Sohn. 
Hofstetter zeigt Verdi in der Tradition Donizettis und Bellinis. Er verweist auf musikalische Strukturen, und fordert seinen Sängern ein Differenzierungsvermögen ab, mit dem sogenannte "dramatische" Stimmen wahrscheinlich überfordert gewesen wären. Nicht Dynamik entscheidet, meint Hofstetter, sondern sängerische Intelligenz und Geläufigkeit. Das Ergebnis ist grandios - Verdi für das 21. Jahrhun- dert; und davon möchte man noch viel mehr hören. 

Platti: Sonatas for harpsichord (Concerto)

Giovanni Benedetto Platti (1697 bis 1763) stammte aus Padua. Seine musikalische Ausbildung erhielt er in Italien. 1722 trat er als Oboenvirtuose in den Dienst der Fürstbischöfe von Würzburg, wo er auch als Sänger, Gesangslehrer und Violinist wirkte. Einige seiner Wer- ke wurden zu Lebzeiten veröffent- licht, andere sind nur als Hand- schriften überliefert, und von etlichen sind auch nur noch Titel bekannt.
Filippo Emanuele Ravizza hat für Concerto auf vier CD die Cembalo- sonaten Plattis eingespielt. Sie erscheinen hier von 1 bis 18 durch- nummeriert, und folgen weitgehend einer Edition, die Fausto Torrefranco 1963 bei Ricordi unter dem Titel Giovanni Benedetto Platti e la Sonata moderna vorgelegt hat.
Wer es nicht weiß, der wird staunen. Denn diese Cembalosonaten, die geradezu exemplarisch die technischen Möglichkeiten des Instru- ments vorführen und ausreizen, sind in einer Zeit entstanden, da das Hammerklavier schon erfunden war - und Platti war damit auch bestens vertraut. Vielleicht gelingen ihm aber gerade deshalb diese Sonaten, die man sich auf einem Klavier vorgetragen schlicht nicht vorstellen kann. So setzt Platti im Umgang mit dem Cembalo auf die Tatsache, dass es sich dabei um ein Zupfinstrument handelt, und auf die Klangfarben, die sich damit erzielen lassen. Auch spielte er jene Modelle durch, die für die Sonate seinerzeit erprobt wurden, vom strengen Kontrapunkt bis hin zu Strukturen, die man eher von der Frühklassik erwarten würde. Torrefranco ließ sich sogar dazu hinreißen, Plattis musikalische Ausdrucksweise mit dem Ausdruck "rhythmischer Impressionismus" zu preisen.
Wir halten uns mit solchen Zuschreibungen zurück, und erfreuen uns an vier langen CD mit faszinierender, teilweise sogar raffinierter Cembalomusik, ausdrucksstark vorgetragen von einem exzellenten Musiker. Ravizza hat bereits mehrfach Werke vergessener Komponi- sten eingespielt - die Wiederentdeckung Plattis muss man ihm danken, zumal solche Aufnahmen deutlich machen, dass der Weg von Bach zu Haydn keineswegs durch die Genies im Sprung, sondern durch zahlreiche Musiker und in vielen kleinen Schritten absolviert worden ist. 

Donnerstag, 2. Februar 2012

Tchaikovsky: The Nutcracker (Decca)

Das Label Decca scheint für seine Ballett Edition in den Archiven so manche herausragende Einspie- lung aufgespürt zu haben - so auch diese Aufnahmen aus den Jahren 1989 und 1990 mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter Vladimir Ashkenazy. 
Der Nußknacker, das getanzte Weihnachtsmärchen an sich, findet man hier trefflich interpretiert; so lebendig und engagiert habe ich Tschaikowskis berühmtes Werk noch nicht gehört. Darüber hinaus hält die CD aber eine Überraschung bereit: Die Jahreszeiten op. 67 von Alexander Glasunow - ebenfalls ein Ballett aus der Petipa-Ära, mit hübschen Naturschilderungen und einem großen Bacchanale im Herbst. 

Tchaikovsky: The Sleeping Beauty (Decca)

Dornröschen gilt vielfach als das gelungenste Ballett aus der Feder Peter Tschaikowskis. Es entstand auf Vorschlag des Leiters der Kaiserlichen Bühnen, der dem Komponisten Perraults Märchen La Belle au bois dormant als Grundlage für ein Ballett empfahl. Choreograph Marius Petipa ent- wickelte daraufhin ein ausführli- ches Szenarium, und Tschaikowski schuf schließlich die Musik dazu. 
Sie ist ungemein abwechslungs- und farbenreich; lyrische Passagen stehen neben dramatischen Szenen wie dem Auftritt der bösen Fee Carabosse, die in ihrem von Ratten gezogenen Wagen vorfährt. Diese effektvollen Kontraste bringt in der vorliegenden Aufnahme Antal Dorati mit dem Royal Concertgebouw Orchestra sehr schön zur Geltung. Der Dirigent, der für seine Tschaikowski-Interpretationen zu Recht weithin geschätzt wird, lässt präzise musizieren, und zwar theatralisch, aber nicht überzuckert. Das macht diese Doppel-CD aus der Decca-Reihe Ballett Edition zur Referenzaufnahme, die man nur empfehlen kann.