Sonntag, 15. Mai 2011

Kodaly: Sonata for solo cello (Hyperion)

Großartige Musik für Violoncello, grandios interpretiert. Zoltán Kodály (1882 bis 1967) schuf mit der Sonate für Cello solo op. 8 aus dem Jahre 1915 das wohl faszinie- rendste Werk für dieses Instru- ment seit Bachs berühmten Suiten. 
Kodály schöpfte aus einer reichen Tradition: Gemeinsam mit seinem Freund Béla Bartók reiste er durch Ungarn, und zeichnete mit einem Phonographen die Lieder auf, die auf dem  Lande gesungen wurden. 1906 legten die beiden Musik- ethnologen die erste Ausgabe der derart gesammelten Volkslieder vor - und unterstützten so die Bestrebungen Ungarns, sich aus Habs- burgs Vielvölkerstaat zu lösen. In dem Ringen um Befreiung war die Frage nach der nationalen Identität, nach der originär ungarischen Kultur von Bedeutung, und Bartók und Kodály gaben Antworten, die damals gern gehört wurden.
1912 wurde Kodály Professor an der Hochschule für Musik in Buda- pest. Und während seine ersten Werke rundum ziemlich üppig ausfielen, erscheint seine Kammermusik konzentriert, geradezu diszipliniert in klassischen Formen, in die Kodály  aber jene Harmo- nien, Melodien und Rhythmen kleidete, die er auf seinen Reisen durch das Land erlebt hatte. Für die Streicher, die diese Werke spielen wollen, kann das durchaus Höchstschwierigkeiten bedeuten. So nutzt Kodály bei seiner Cello-Sonate die Skordatur, um Klangfarbe und Ausstrahlung des Instrumentes zu verändern. Die Wirkung ist ganz erstaunlich, wie Solistin Natalie Clein bestätigt: "Ich kann mir vor- stellen, die Kodály (selbst ein Amateur-Cellist) viele Stunden mit seinem Instrument damit verbrachte, die Klänge und Eindrücke seiner musikethnologischen Reisen nachzuempfinden. Das Stück wirkt nicht einsam, wie dies bei einer Solosonate der Fall sein kann; vielmehr höre ich Echos von Zigeunerstreichern, Flöten, Zithern, Pfeifen und die menschliche Stimme. Eine der größten Errungen- schaften von Kodály war seine Kombination von ,Volkskunst' mit einer intellektuelleren, geschulten Annäherung, und das Ergebnis ist sehr lohnend zu spielen." 
Auf dieser CD wird sie ergänzt um die Sonatina von 1922, die Neun Epigramme aus dem Jahre 1954, in denen der Musikpädagoge Kodály seine Lehrmethode demonstriert, sowie die Romance lyrique, ein Frühwerk aus dem Jahre 1898, und das Adagio von 1905/1910 - beides klingt noch sehr nach Brahms, zeigt aber in diesem Zusammen- hang die enorme künstlerische Entwicklung Kodálys innerhalb we- niger Jahre. Natalie Clein, Violoncello, und Julius Drake am Klavier laden ein zu einer Reise an die Grenzen Europas - sehr spannend, und erstaunlich modern. 

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