Sonntag, 6. März 2011

Bach: Violinkonzerte; Kristinsdóttir (Ars Produktion)

Lediglich drei Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach sind über- liefert; sie stehen in der Liste seiner Werke unter BWV 1041 bis 1043. Doch mittlerweile gilt als erwiesen, dass der Thomaskantor noch wesentlich mehr Konzerte für die Violine geschaffen haben muss. Denn als er die Leitung des Collegi- um musicum übernahm, hat er viele seiner Konzerte für Cembalo umgearbeitet, um sie gemeinsam mit den Studierenden aufzuführen. Dabei hat er allerdings diese Werke teilweise erheblich verändert, so dass einige Musikwissenschaftler die Cembalo-Version für Bachs Endfassung halten.
Für den Geiger ist diese Meinung eher von akademischem Interesse. Ihn interessiert, ob sich unter den Cembalokonzerten Bachs noch weitere Werke befinden, die ursprünglich für die Violine geschrieben worden sind. Bachforscher sind sich mittlerweile weitgehend darin einig, dass es sich bei den Konzerten BWV 1052 und 1056 ebenfalls um Violinkonzerte handelt. 
Wie die Urfassung einmal ausgesehen haben könnte, das wird sich jedoch nicht mehr abschließend klären lassen. Insofern ist es nur konsequent, wenn Elfa Rún Kristinsdóttir und ihre Kollegen vom Solistenensemble Kaleidoskop die Rekonstruktion der Neuen Bach- ausgabe kritisch hinterfragen. Bei ihrer Interpretation berücksich- tigen sie beispielsweise Erkenntnisse über den ursprünglichen Tonumfang des Soloparts, und sie nehmen Figurationen aus der Cembalo-Version wieder auf, die die Autoren der Gesamtausgabe getilgt haben. 
Die Solistin, die aus Island stammt, hat in Freiburg bei Rainer Kuss- maul studiert, und 2006 beim Bach-Wettbewerb in Leipzig neben dem 1. Preis auch den Publikumspreis und den Sonderpreis als jüngste Finalistin des Wettbewerbs gewonnen. Seit 2009 setzt sie ihre Ausbildung bei Carolin Widmann in Leipzig fort. Das Doppelkonzert spielt sie gemeinsam mit Lisa Immer, die ebenfalls als Konzertmeiste- rin des Solistenensembles Kaleidoskop wirkt. 
Die jungen Musiker präsentieren sich handwerklich perfekt, engagiert und sehr diszipliniert. Man spürt die intensive Auseinandersetzung mit den Werken, die hier im Mittelpunkt stehen, und freut sich über den frischen Wind, den das Solistenensemble Kaleidoskop in die Debatten um das Erbe Bachs bringt. Bravi! 

Keine Kommentare: