Sonntag, 26. September 2010

Elfrun Gabriel - Schumann, Liszt, Mendelssohn, Chopin (Querstand)

Nomen est omen - das wussten schon die alten Römer. Ob die Eltern seinerzeit, als sie ihrem Kind diesen Namen gaben, ans Klavier- spiel gedacht hatten, das freilich darf bezweifelt werden. Die reiche böhmische Musiktradition aber wurde Elfrun Gabriel faktisch in die Wiege gelegt; schon früh entschied sie sich für das Klavier. Im Alter von 14 Jahren gab sie ihre ersten Konzerte. Sie studierte bei  Hugo Steurer und Amadeus Webersinke sowie bei Karl-Heinz Kämmerling, Pawel Serebrjakow in St. Peters- burg und Halina Czerny-Stefanska in Krakow. 
Die Leipziger Pianistin widmete sich vor allem der romantischen Literatur, aber auch Debussy und Elgar, Prokofjew, Schostakowitsch und Tschaikowski, Bach und Mozart finden sich immer wieder in ihren Programmen. Sie galt als ausgesprochene Chopin-Spezialistin, und es ist tragisch, dass sie ausgerechnet die beiden Programme, die sie zum Chopin-Gedenkjahr 2010 vorbereitet hatte, nicht mehr im Konzert vorstellen konnte. Sie sollten von Chopin weg und so wieder zu ihm hin führen, historische Bezüge ausloten, um seinen Aufenthalt in Leipzig kreisend. Im Dezember 2009 hatte Elfrun Gabriel die dafür vorgesehenen Werke vorab im Studio eingespielt; die CD erscheint nun als ihr Vermächtnis. 
1835 lernte Chopin in Leipzig Clara Wieck und Robert Schumann kennen, vermittelt durch Felix Mendelssohn Bartholdy. Elfrun Gabriel wählte vier der acht Fantasiestücke op. 12 von Robert Schumann aus, kontrastiert anschließend mit der Étude Nr. 2 Es-Dur von Franz Liszt - einem Stück aus den sechs Grande Études de Paganini, die der Klaviervirtuose Clara Schumann gewidmet hat. Auch klanglich ist der Unterschied erstaunlich. Während sie den Schumannschen Ideen eher zurückhaltend nachspürte, setzte Gabriel bei Liszt ganz auf orchestrale Klangwucht - eine Überraschung im ansonsten subtil ausbalancierten Umfeld. 
Mit Vogel als Prophet zeigte die Pianistin erneut, wie fein austariert ihr Anschlag und wie präzise ihr Zugriff auf Klangfarben war. Und als besonderes Schmankerl spielte sie die Widmung aus Schumanns Liederzyklus Myrten op. 25, eines der schönsten Liebeslieder über- haupt, für Klavier arrangiert von Clara Schumann, die auf der CD mit einer der drei Romanzen op. 11 zu hören ist. 
Aus dem reichen Schaffen Mendelssohns hat Gabriel zwei Lieder ohne Worte ausgewählt. Und natürlich erklingen auch Werke des Jubilars Frédéric Chopin - Berceuse Des-Dur op. 57, Grande Valse As-Dur
op. 42, Nocturne 13 c-Moll op. 48/1, Fantasie-Impromptu cis-Moll op. 66 und Nocturne 19 e-Moll op. 72/1. "Zeitgenossen Chopins be- richten, dass Chopin leise, mit transparentem Anschlag und dabei farbig spielte. Mein Anliegen ist es, diesem Ideal möglichst nahe zu kommen", so die Pianistin. Sie bezaubert durch ihren ätherischen, nuancenreichen und zugleich glasklaren Vortrag. Anmut, Leichtigkeit und Eleganz kennzeichnen ihr Spiel, doch auch am großen, dramati- schen Auftritt hatte sie hörbar Vergnügen.
Anlässlich des Requiems für Elfrun Gabriel sagte Prof. Dr. Werner Merten: "Sie war als außergewöhnliche Pianistin eine ganz große Persönlichkeit im Sinne dessen, was ihr einstiger Lehrer, der welt- berühmte Klavierpädagoge Karl-Heinz Kämmerling, erst kürzlich ausgeführt hat: ,Es geht aber immer um die Frage, was ich mit der Musik ausdrücken will. Die Verbindung von einem Ton zum nächsten hat enorme Bedeutung. Was zwischen den Klängen geschieht, ist das Wesentliche.'" Diese Laudatio beschreibt die besondere Qualität ihres Klavierspiels vielleicht am besten.

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